2014-04-02,
aktualisiert 2014-11-25
aktualisiert 2015-07-03
Das Recht als Gesamtheit von Gesetzen dient der Regelung der Beziehungen von Rechtssubjekten wie Menschen, Firmen Institutionen etc. zu- und untereinander sowie zu ihrer natürlichen oder geschaffenen Umgebung jeglicher Art wie etwa belebter oder unbelebter Natur in Form von Tieren, Pflanzen, Sachen und Gütern etc. zum Zwecke eines friedlichen, einvernehmlichen, geordneten, allgemein akzeptierten und gedeihlichen Zusammenlebens der Subjekte untereinander sowie eines vernunftgemäßen und wertschätzenden Umganges mit der Lebensumgebung.
Das Recht und damit auch das Völkerrecht, sein Inhalt, seine Funktion und seine Auslegung ist das Werk von Menschen und ihren Interessen. Bei einer Analyse oder Bewertung rechtlicher Fragestellungen ist daher stets zu berücksichtigen, wer die Gesetze macht, für wen und warum, wer sie interpretiert, über ihre Einhaltung wacht, Verstöße feststellt und wer darüber richtet, was geschieht, wenn Gesetze gebrochen werden.
Damit aus einzelnen Rechtsvorschriften eine allgemein akzeptierte Rechtsordnung hervorgehen kann, ist es darüber hinaus erforderlich, dass die darin formulierten Rechte und Pflichten innerhalb des definierten Bezugsrahmens und für die definierten Bezugsgruppen allgemeingültig sind, also für alle gelten. Wird nicht mit gleicher Elle gemessen, ist das Gesetz ein Muster ohne Wert, ein Willkürakt, ein Mittel zum Zweck. (Anmerkung: Im zivilen Bereich wird die Allgemeingültigkeit in der Praxis häufig dadurch relativiert, dass der Zugang zum Recht durch komplizierte Verfahren und hohe Kosten erschwert wird.)
UN-Charta, Artikel 1, Absatz 2
Die deutsche Übersetzung des Artikel 1, Absatz 2 der Charta der Vereinten Nationen, welche als Grundlage des Völkerrechtes gilt, lautet wie folgt:
[Die Vereinten Nationen setzen sich folgende Ziele:
1...]
2. freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln und andere geeignete Maßnahmen zur Festigung des Weltfriedens zu treffen;
[3...]
UN-Charta, Artikel 2, Absatz 4
Die deutsche Übersetzung des Artikel 2, Absatz 4 der Charta der Vereinten Nationen, lautet hingegen wie folgt:
[Die Organisation und ihre Mitglieder handeln im Verfolg der in Artikel 1 dargelegten Ziele nach folgenden Grundsätzen:
1...]
4. Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.
[5...]
Während also in Artikel 1.2 vom Grundsatz der Selbstbestimmung der Völker die Rede ist, geht es in Artikel 2.4 um die territoriale Unversehrtheit von Staaten. Diese beiden Bestimmungen können sich gegenseitig widersprechen, wie man in den Fällen der Sezession des Kosovo 2008 oder der Krim 2014 erkennen kann. Die Abspaltung des Kosovo vom serbischen Staat sowie die Sezession der Krim vom ukrainischen Staat und der Beitritt zum russischen Staat erfolgte auf der Grundlage des in einer Volksabstimmung zum Ausdruck gebrachten Willens der Mehrheit der jeweils dort lebenden Menschen und damit gemäß dem Selbstbestimmungsrecht der Völker nach Artikel 1, Absatz 2 der Charta der UN, jedoch gegen den Willen der serbischen bzw. ukrainischen Regierung, die nach Artikel 2, Absatz 4 der Charta der UN zu berücksichtigen gewesen wären.
Dass die Abspaltung der Krim von der Ukraine und ihre Aufnahme in die Russische Föderation dem Wunsch der Mehrheit der zu 60% aus ethnischen Russen bestehenden Bevölkerung der Krim entspricht, ist allgemeiner Konsens und wird auch vom 'Westen' nicht ernsthaft bestritten. Sogar eine Umfrage der amerikanischen Pew- Stiftung kommt zu diesem Ergebnis. Ebenso gilt es als unzweifelhaft, dass auch die Mehrheit im Kosovo die Unabhängigkeit befürwortete. Ob sich die Erwartungen der Menschen erfüllten, ist eine andere Frage ...
Nun geht es also um eine Abwägung der Wertigkeit miteinander konkurrierender Rechtsgüter innerhalb des Bezugsrahmens eines Gesetzes oder sogar um den grundlegenden Konflikt zwischen Recht und Werten insgesamt, wie er mit einiger Regelmäßigkeit z.B. auch zwischen weltlichen Rechtsnormen und religiösen Geboten zu entstehen pflegt.
Laut einem Rechtsgutachten des IGH (Internationaler Gerichtshof in Den Haag) vom 22.07.2010 zur Sezession des Kosovo von Serbien im Jahre 2008 (gegen den Willen Serbiens) kennt das Internationale Recht "kein Verbot von Unabhängigkeitserklärungen". Daraus kann man den Rückschluss ziehen, dass das Selbstbestimmungsrecht der Völker im Vergleich zur territorialen Unversehrtheit eines Staates offenbar als höherwertigeres Rechtsgut anzusehen ist.
Da die Sachverhalte bei der Sezession der Krim von der Ukraine vergleichbar sind, liegt es nahe, in beiden Fällen zu derselben Bewertung zu gelangen. Der Völkerrechtler Claus Kreß ist allerdings der Auffassung, dass die Sezession einer Provinz oder Region ohne die militärische Einflussnahme eines Fremdstaates erfolgen, also aus eigener militärischer Kraft oder unter Duldung des bestehenden Staates durchgesetzt werden müsse.
Sowohl im Kosovo (NATO) als auch auf der Krim (Russland) waren jedoch Fremdstaaten militärisch involviert, wobei die NATO seinerzeit Serbien mit Krieg überzog, während die russischen Truppen, die aufgrund einer bilateralen Vereinbarung zum Schutze des von der Ukraine gepachteten Flottenstützpunktes ganz legal auf der Krim stationiert waren, lediglich die ukrainischen Truppen blockierten und so das Referendum ermöglichten. Nun argumentiert Kreß, dass im Falle des Kosovo das Eingreifen von Fremdstaaten bei der Durchsetzung der Sezession aufgrund von Menschenrechtsverletzungen der serbische Regierung am Volk der Kosovaren gerechtfertigt gewesen sei und daher die Sezession völkerrechtliche Legitimität beanspruchen könne. Auf der Krim hingegen habe es bis zum Zeitpunkt der Sezession keine Menschenrechtsverletzungen gegeben und daher könne die Sezession der Krim keine völkerrechtliche Legitimität beanspruchen.
Diese Argumentation erscheint allerdings juristisch fragwürdig und politisch zynisch: Angesichts der Menschenrechtsverletzungen in der Ost-Ukraine war eine rasche Sezession ja geradezu geboten, um auf der Krim Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen, wie sie später im Donbass geschahen.
Insofern müsste also auch ein 'übergesetzlicher Notstand' in Betracht gezogen werden. Dabei geht es um einen Rechtsverstoß, der insofern als gerechtfertigt oder gar erforderlich erscheint, als dadurch höherrangige Rechtsgüter präventiv geschützt werden. Ein solcher liegt beispielsweise vor, wenn sich Soldaten im 3. Reich weigerten, einen Befehl zu Massenhinrichtungen auszuführen oder wenn DDR-Grenzsoldaten den Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze sabotierten.
Der Umstand, dass das Völkerrecht, auch und insbesondere vom 'Westen', immer wieder gebrochen wurde und wird, wenn tatsächliche oder vermeintliche vitale Interessen oder grundlegende Werte betroffen sind, stellt die Verbindlichkeit des Völkerrechtes insgesamt in Frage. So waren u.a. der Einsatz der Nato im Kosovo 1999 sowie der Angriff der USA und ihrer Verbündeter in der Koalition der Willigen auf den Irak 2003 weitgehend unbestritten klare Verstöße gegen das Völkerrecht, die zwar niemals zur Anklage gebracht oder in irgend einer Weise sanktioniert wurden, aber zweifellos dazu beitrugen, das Völkerrecht auszuhöhlen.
Der Kosovo-Krieg der NATO gegen das damalige Jugoslawien / heute Serbien wurde als Einsatz für dem Völkerrecht übergeordete Belange von Humanität und Menschenrechten gerechtfertigt, der Irak-Krieg als Abwehr gegen die Bedrohung Israels durch Chemiewaffen, eine Begründung, die sich im Nachhinein als wissentlich lancierte Unwahrheit herausstellte.
Was die Krim anbelangt, so gibt es vitale Sicherheitsinteressen Russlands, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der eingebildeten oder tatsächlichen Bedrohung durch die seit dem Ende des Warschauer Paktes entgegen aller zuvor geäußerter Zusagen immer näher an die Grenzen Russland heranrückende NATO, sowie weitere gewichtige Gründe, die für ein Eingreifen sprechen: Der einzige nennenswerte Stützpunkt der russischen Flotte mit Zugang zum Mittelmeer befindet sich auf der Krim, die Bevölkerung der Krim ist weitgehend russisch und befürwortet den Anschluss an Russland, die Krim war in der jüngeren Geschichte Bestandteil Russlands, die Legitimität der Zugehörigkeit der Krim zur Ukraine ist zweifelhaft (Stichwort: Geschenk an Chrustschow 1954), die Ukraine selbst befindet sich in einem gezielt von interessierten Kreisen außerhalb des Landes geschürten Zustand von Aufruhr und Gesetzlosigkeit und die Legitimität der ukrainischen Übergangsregierung war umstritten.
Die russische Regierung war also gezwungen, zwischen sich widersprechenden Erfordernissen des Völkerrechtes, eigenen vitalen Interessen sowie den - auch sicherheitsrelevanten - Interessen der überwiegend russischen Bevölkerung auf der Krim, u.a. nach Selbstbestimmung in Form eines Anschlusses an Russland sowie der Vermeidung eines Bürgerkrieges, abzuwägen. Letzten Endes entschloss sich Russland daher als ultima ratio wohl deshalb zum Eingreifen, um einen möglicherweise größeren Schaden für das eigene Land, die eigene Bevölkerung und die der Krim abzuwenden. Statt dem undurchsichtigen und chaotischen Treiben in der Ukraine tatenlos zuzusehen und schließlich vor die eigene Sicherheit und Integrität gefährdende, vollendete Tatsachen gestellt zu werden, griff man aktiv in das Geschehen ein und schaffte selbst Fakten.
Kontroverse Ansichten zum Thema:
Krim
Krim und Völkerrecht: Ironie der Geschichte (FAZ)
Juristisches zum Krim-Konflikt
Wider die normative Kraft des Faktischen
Der Kampf um die Krim [...] Völkerrecht
Sezession ist Sezession!?
Jede Abspaltung ist eine Amputation
Gabriele Krone- Schmalz zur Ukraine (Video)
Kress: "Akt der Aggression" (Spiegel)
Kosovo
Recht auf Freiheit (SZ)
Unabhängigkeit des Kosovo rechtens (Zeit)
Analyse IGH-Gutachten Kosovo (.pdf)
Kosovo - Sonderfall mit Präzedenzwirkung? (.pdf)
Charta der Vereinten Nationen (.pdf)
Herakles79
2015-05-27, 19:25:26
Es gibt aber einen kleinen Unterschied zwischen dem Kosovo/Serbien und Krim/Ukraine.
In Serbien regierte eine legitime Regierung und der Abspaltung des Kosovos wurde mit Gewalt der NATO forciert.
Die Abspaltung und anschliessende Angliederung an die russische Föderation fand unter extremst anderen umständen stand.
Nach dem Putsch regierte dort das Chaos.
Parlamentsmitglieder wurden von bewaffneten in die RADA "begleitet" und selbst unter diesen Bedingungen wurde nicht die nötige Mehrheit erreicht um Janukowitsch abzusetzen.
Mit anderen Worten.....bis Heute regiert dort eine illegitime Regierung/Regime!
Die russische Föderation bewahrte die Krim und deren Einwohner vor einem Donbass-Szenario!
Ich wünschte die russische Föderation hätte im Donbass so Voraussschauend gehandelt.
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