2015-07-15
Die nächste Privatisierungswelle rollt auf das von erdrückenden Schulden geknechtete und zermürbte Europa zu. Zunächst brandet sie - nee is ja klar - an Europas südöstliche Küste. Also an die von Griechenland. Ziel ist der Hafen von Piräus. Doch das ist erst der Anfang.
Aus gutem Grund - nicht zuletzt zur Minimierung wirtschaftlicher oder gar existenzieller Risiken - gehörten bislang Kernbereiche der Grundversorgung etwa mit Trinkwasser und Energie, Entwässerung und Abfallbeseitigung, die Verkehrsinfrastruktur mitsamt der öffentlichen Verkehrsmittel sowie weitere Bereiche zu den staatlichen Hoheitsaufgaben. Wie kommt es nun zu der Idee, diese Bereiche in private Hände zu legen?
Zum einen gibt es das Problem der Schlamperei und Vetternwirtschaft bei Monopolbetrieben. Wo es keinen Markt und damit auch keine Konkurrenz gibt, ist die Versuchung groß, sich selbst zu bedienen. Ist dann auch noch die öffentliche Kontrolle mangelhaft oder erfolgt im Rahmen von politischen Seilschaften, so sind Mauscheleien Tür und Tor geöffnet. Dieses Argument betrifft allerdings staatliche wie privatwirtschaftlich organisierte Monopolbetriebe gleichermaßen. Nicht Privatisierung, sondern eine Öffnung des Marktes für Konkurrenzunternehmen kann hier Abhilfe schaffen.
Als weiterer Grund für Privatisierungen wird eine hohe Staatsverschuldung angeführt. Wenn die öffentlichen Kassen leer und der Verschuldungsgrad hoch ist, so werden Kredite und damit Investitionen insgesamt teurer. Die Einführung von Höchstquoten für die Verschuldung und von Schuldenbremsen begrenzen den Spielraum endgültig.
Hohe Staatsschulden entstehen dann, wenn Kreditaufnahme nicht allein für Zukunftsinvestitionen erfolgt, die sich irgendwann amortisieren, sondern auch der Bestreitung laufender Haushaltsaufgaben wie etwa Beamtenrenten, Sozialtransfers oder der Wartung und Pflege von öffentlichen Einrichtungen dient. Ist dies der Fall, dann ist die Haushaltsstruktur nicht in Ordnung, das heißt, es besteht keine Balance zwischen den Einnahmen und den Ausgaben. Dann müssten also eigentlich entweder die Ausgaben gekürzt oder die Einnahmen etwa über Steuererhöhungen gesteigert werden. Wenn man sich beides nicht zu tun getraut, so gibt es noch die Möglichkeit, unter der Hand das Tafelsilber zu verscherbeln. Das ja eigentlich gar nicht den jeweils Regierenden gehört, sondern der Gemeinschaft der Bürger, deren Vorfahren es erwirtschaftet und den nachfolgenden Generationen zu treuen Händen übergeben haben. So gesehen könnte man Privatisierung auch als Veruntreuung von Volksvermögen betrachten.
Die europäischen Staatsschulden wurden parallel zum Aufbau von gewaltigen privaten Vermögen in Folge der Umverteilung vom öffentlichen auf den privaten Sektor sowie von 'fleißig nach reich' aufgetürmt. Wesentliche Ursache dafür ist die in den 1970- er Jahren in England (Maggie Thatcher) und wenig später in den USA (Ronald Reagan) aufkommende neoliberale Wirtschafts- und Finanzideologie. Diese führte in der EU und weltweit bei den Unternehmenssteuern, den Steuern auf Kapitaleinkünfte und den Spitzensteuersätzen zu einem ruinösen Steuersenkungswettlauf der Staaten und Unternehmensstandorte sowie zur Deregulierung der nationalen wie internationalen Finanzmärkte, welche schließlich die Finanzkrise 2007 hervorriefen. Korruption, Lobbyismus, Misswirtschaft und Steuergeschenke von um ihre Wiederwahl besorgten Politikern an ihr spezifisches Klientel oder einschlägige Wählergruppen taten ein übriges.
Um sicherzugehen, dass die erlassene Steuer auch den Weg zu den richtigen Adressaten fand, sorgte die im Zuge der Globalisierung seit den 1990- er Jahren einsetzende wachsende Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt sowie der forcierte Standortwettbewerb der Produktionsstätten insbesondere in Deutschland für eine derart geringe Steigerung der Arbeitseinkommen weit unterhalb der Produktivitätszuwachsraten, dass kaum ein gewöhnlicher Arbeitnehmer in die Verlegenheit kam, Überlegungen darüber anstellen zu müssen, wie er überschüssige Einkünfte anlegen solle.
Schließlich versetzte die Finanzkrise ab 2007 mit etlichen, zig Milliarden teuren staatlichen Bankenrettungen den bereits angespannten öffentlichen Haushalten den Knock out. Denn zu den aufgrund der Rettungsaktionen eigentlich logischerweise naheliegenden Verstaatlichungen der betroffenen Banken, die mittel- und langfristig den Staatshaushalten wieder hätten auf die Beine helfen können, kam es dann irgendwie doch nicht...
Und so stehen wir inzwischen einigermaßen ratlos vor enormen Ungleichgewichten zwischen verarmten öffentlichen und von Geldmitteln überquellenden privaten Haushalten einiger weniger Vermögender und etlicher privater Finanzhäuser. Angesichts der sich daraus ergebenden Perspektiven könnte man sich glatt fragen, ob diese Staatsschuldenkrise inmitten eines gewaltigen Überflusses an Geld nicht sogar gewollt ist und ganz bewusst erzeugt wurde.
Denn wie gerufen kommt nun wieder die vor einiger Zeit noch wegen etlicher unerfreulicher Erfahrungen zu den Akten gelegte Idee der ÖPP's bzw. PPP's (Öffentlich Private Partnerschaften bzw. Private Public Partnerships) ins Spiel. Und wie es aussieht, wird diese grandiose Idee vermutlich auch in Deutschland demnächst eine Renaissance erleben: Schließlich gibt es kaum eine elegantere Methode, wertloses Computergeld risikolos in wertvollen Staatsbesitz einzutauschen.
Öffentlich- Private Partnerschaft - das hört sich ja eigentlich erstmal gar nicht so übel an. Besser jedenfalls als die Vokabeln Privatisierung oder gar Verstaatlichung, die ja doch ein Geschmäckle haben. In einer ÖPP wird auch nicht unbedingt das Eigentum an der Infrastruktur überschrieben, sondern oftmals lediglich auf Zeit verpachtet oder verleast. Das ist jedenfalls schon mal besser als ein Eigentumsübertrag, finde ich. In anderer Hinsicht aber ist ÖPP durchaus sogar mehr als eine Privatisierung:
Der Trick bei den ÖPP's ist, dass nicht einfach nur Volksvermögen an Privat übergeben und dann in den Wettbewerb der freien Märkte entsandt wird, wie das etwa bei der Privatisierung der Post, der Telekom und von einigen Flughäfen der Fall war und bei der Bundesbahn geplant ist, sondern dass zu den Betrieben die Kundschaft gleich mitgeliefert wird: Die ehemals staatliche und - wie schön - in aller Regel auch noch vollkommen konkurrenzlose Infrastruktur, bestehend etwa aus Straßen, Brücken, Elektrizitätswerken, Kläranlagen, Verkehrsbetrieben und vielleicht sogar Wasserwerken, wird, sobald sie sich in Privatbesitz befindet, sogleich von der Öffentlichen Hand zu einer so gut wie garantierten Rendite von schätzungsweise 5 - 10% oder so - die Verträge werden dem Zeitgeist entsprechend selbstverständlich nicht öffentlich einsehbar sein - zurückgemietet. Ein perfektes Geschäft also - auf Kosten der Bürger und Steuerzahler, versteht sich, welche nun über Steuern, Gebühren und Abgaben zur Sicherung des Unterhaltes, zur Finanzierung neuer Projekte und zusätzlich nun auch noch zur Erwirtschaftung der Gewinne herangezogen werden.
Es mag durchaus Fälle geben, in denen es dem einen oder anderen staatlichen Monopolbetrieb ganz gut tun würde, wenn mal ganz privat ein wenig frischer Wind durch die öffentlich- rechtlichen Amtsstuben und Materiallager weht. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass sich die ÖPP’s als Lotterbett erweisen, im dem sich Bürokratie mit Gewinnsucht paart, ist nach allen Erfahrungen, die wir in diesen Tagen machen, sehr viel größer als jeder Glaube an die Vision von einer Lustwiese, auf der sich Unternehmergeist mit sozialer Verantwortung vereinigt.
Weiterführender Link
Öffentlich- private Partnerschaft (Wiki)
Geheime Geschäfte von Politik und Wirtschaft
Artikel auch publiziert bei Neopresse
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(Auf die Auswahl der Beiträge habe ich keinen Einfluss)
Last edit: 2017-03-15 | 09:16
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Trump über Merkel
"... one crucial dimension of this [migration] crisis has gone little - noticed: [...] sex ratios. [...] As anthropologist Barbara Miller has persuasively argued, a normal sex ratio is a 'public good' and therefore deserves state protection. For Sweden — or any other European country — to wind up with the worst young adult sex ratios in the world would be a tragedy for European men and women alike."
2017-01-13 [1/11/16], Pol
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